Wir sehen eigentlich nur das als erstrebenswert an, was selten und außergewöhnlich ist. Früher war Dicksein ein Zeichen für sozialen Wohlstand: Es bedeutete, dass man jeden Tag reichlich zu essen hatte. Die meisten Menschen waren jedoch schlank oder sehr dünn.
Da rundliche Menschen somit eine Ausnahmeerscheinung darstellten, wurde Dicksein als Schönheitsideal empfunden.
Man muss wissen, dass früher die Lebensmittelversorgung für einen Großteil der Bevölkerung von äußeren Umständen abhing. Kriege, Bauernaufstände, schlechte Ernten… konnten jederzeit eine Hungersnot auslösen. Sich jeden Tag satt zu essen, war Luxus, weshalb die eventuell vorhandenen Fettreserven ein kostbares Polster für den Notfall darstellten.
Übergewicht war somit eine begehrte Absicherung gegen schlechte Zeiten und besaß nicht diese negative Bedeutung wie heute.
Dicksein war früher auch ein Zeichen für gute Gesundheit und Robustheit. Bei einer wohlgenährten Frau ging man zum Beispiel automatisch davon aus, dass sie problemlos Kinder zur Welt bringen würde. Dieses Frauenbild wird in einigen Ländern der Dritten Welt immer noch idealisiert, insbesondere im Maghreb.
Nach Meinung von Soziologen hängt das weibliche Schönheitsideal von der jeweiligen Mode ab.
Andere sind eher der Ansicht, dass Mode nur dazu dient, das aktuelle weibliche Schönheitsideal zum Ausdruck zu bringen.
Der Vorschlag des Modeschöpfers Paul Poiret zu Beginn des Jahrhunderts, künftig auf das Korsett zu verzichten, hat auf jeden Fall dazu beigetragen, dass die Dinge eine völlig andere Entwicklung nahmen.
Frauen konnten ihren Körper nicht mehr unter weiten Kleidern verstecken: Die neue Mode war figurbetont und brachte die weiblichen Formen zur Geltung. Einige Jahre später wurden unter dem Einfluss der Frauenbewegung die femininen Aspekte sogar völlig außer Acht gelassen, was sich in einer fast androgynen Mode widerspiegelte.
Die Sorge der Männer über die Entdeckung der weiblichen Sexualität (durch die Freudsche Psychoanalyse) zeigte ebenfalls ihre Wirkung. In der Malerei wurde Erotik immer seltener als Motiv verwendet. Einige Maler – wie etwa Picasso oder Buffet – gingen sogar soweit, den weiblichen Körper zu verunstalten, indem sie ihn in abgemagerter oder geometrischer Form darstellten.
Parallel zu diesen soziokulturellen Aspekten trugen zwei weitere Faktoren zur Durchsetzung eines niedrigeren Körpergewichtes bei: die Ausbreitung der Fettleibigkeit in einem führenden Land wie Amerika und die Erkenntnis der Medizin, dass Übergewicht ein ernst zu nehmendes Gesundheitsrisiko in sich birgt.